Dienstag, 19. Januar 2016
Die Nachteile des Denkens
Langes Nachdenken wird oft zu einer unkontrollierbaren Qual. Ständig fragt man sich, inwiefern das Gedachte richtig ist, ob man nicht etwas übersehen hat. Man wägt die wahrgenommen Eindrücke in Endlosschleifen gegeneinander ab, stellt zahllose Thesen und Antithesen auf, die man letzten Endes verwirft und aufgrund dessen wieder von vorne anfängt. Das Ganze kann so anstrengend sein, dass es zu Kopfscherzen führt, zu Selbstzweifeln, gar zu Depressionen.
Die Nachteile des gedanklichen Arbeitens sind offensichtlich. Kaum verwunderlich also, dass sich die meisten Menschen nach Möglichkeit mit Banalem beschäftigen und versuchen, ihren Verstand zu betäuben. Diese Tendenz schließt nicht nur die Freizeitbeschäftigungen mit ein, die einen Lustgewinn versprechen, sondern wirkt sich massiv auf Aspekte des sozialen und kulturellen Lebens aus. Etwas scharf verdeutlicht: Wer sich Dokusoaps auf RTL anschaut, wird wohl kaum zu politischen Magazinen greifen. Wobei diese eigentlich der offenen Demokratie verpflichteten journalistischen Machwerke nun ebenfalls beginnen, den Faden zu verlieren. Wenn der Fokus mit der Darstellung einer gesichtslosen, nackten Frau, deren Körper mit schwarzen Handabdrücken überseht ist, wirbt, und dazu noch Termini wie „Sex Attacken von Migranten“ verwendet, scheint jeglicher intellektueller Bezug verloren zu gehen. Von den meistverkauften Zeitungen der europäischen Länder ganz zu schweigen.
Das Ausdrucksweisen wie „Flüchtlingstsunami“ und „Asylkollaps“ Angstszenarien in den Köpfen der an Highspeedinformationen gewöhnten Konsumenten erschaffen, scheint niemanden zu beunruhigen. Dass primär aufgrund solch expressiver Lautmalerei mit der AFD zum ersten Mal seit dem Ende des dritten Reiches aktuell eine eigentlich offenkundig rechtsradikale Partei locker über die 5% Hürde klettert, wird kaum wahrgenommen.
Zu Silvester kommt es nun endgültig zum Eklat. Nicht genug damit, dass die verabscheuungswürdigen Taten einiger Menschen in diesem verhängnisvollen Nacht verletzte, meist weibliche Betroffene hinterlassen. Nicht genug damit, dass Polizisten, Politikern und „Gutmenschen“ in obskurer Manier eine Mittäterschaft unterstellt wird. Vor allem sind es nämlich die Opfer selbst, die auf perfide Art und Weise von rechten Organen und mittlerweile auch Elementen der "Bürgerschaft" instrumentalisiert werden. Wie Treibvieh werden die jungen Frauen in bestimmten Medien zur Schau gestellt, auf ihrem Rücken fremdenfeindliche Hassbotschaft unter dem Deckmantel feministischer Motive postuliert.
Zumindest ein Gutes haben AFD, NPD und Pegida dann aber doch. Ihre Botschaften sind eingängig und leicht zu verstehen. Solange man nicht darüber nachdenken muss...

... comment